Neuwied/Rhein (Rheinland-Pfalz)

Bildergebnis für Mayen historische KartenBildergebnis für neuwied ortsdienst karte Mit derzeit ca. 66.000 Einwohnern ist das rechtsrheinische Neuwied eine kreisangehörige Stadt u. Sitz der Kreisverwaltung des gleichnamigen Landkreises im Norden des Bundeslandes Rheinland-Pfalz – ca. 15 Kilometer rheinabwärts von Koblenz gelegen (Ausschnitt aus hist. Karte von 1905, aus: wikipedia.org, gemeinfrei  und  Kartenskizze 'Landkreis Neuwied', aus: ortsdienst.de/rheinland-pfalz/neuwied).

 

Die Stadt Neuwied wurde in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts von einem Grafen gegründet. Nach seinem Willen sollte allen Bürgern hier religiöse und persönliche Freiheit garantiert werden; damit genossen auch die Juden in Neuwied landesherrlichen Schutz. Doch bald durften nur diejenigen Juden zuziehen, die ein Gewerbe ausübten. Ein gräflicher Erlass verfügte: „ ... desgleichen müssen alle fremde und verdächtige Personen, herrenloses Gesindel, Bettler und Vagabuden, sodann auch selbst mit Pässen versehene Juden ... auf den Landesgrenzen abgewiesen werden.“ Gegen Ende des 17.Jahrhunderts war die Mehrzahl der hiesigen Juden entweder als Schlächter oder Viehhändler tätig, einige arbeiteten im Altwarenhandel.

Neuwied um 1785 (Abb. aus: wikipedia.org, gemeinfrei)

Als das Herzogtum Nassau im Jahre 1806 gegründet wurde, regelten 15 (!) „Judenordnungen“ die politischen und bürgerlichen Verhältnisse der Juden in diesem Territorium; danach besaßen die „Schutzjuden“ hier kein volles Bürgerrecht, sondern nur eine Art „Heimatrecht“ am Wohnort. 1740 bildeten die Neuwieder und die benachbarten Heddesdorfer Juden eine gemeinsame Kultusgemeinde. Die jüdischen Familien Neuwieds wohnten, vom übrigen Stadtareal abgegrenzt, im „Judenviertel“, das zwischen Engerser Straße, Schloss- und Feldkircher Straße lag. Dort errichtete die jüdische Gemeinde auch ihre erste Synagoge, die 1748 durch den Rabbiner Lazarus Salomon feierlich eingeweiht wurde; hier erhielten auch die jüdischen Kinder Religionsunterricht.

1844 wurde der ca. 100 Jahre alte Synagogenbau in wesentlichen Teilen umgebaut und anschließend - unter Beteiligung der Neuwieder Öffentlichkeit - erneut eingeweiht. In der „Allgemeinen Zeitung des Judentums“ vom 16. Sept. 1844 hieß es:

Neuwied, 25. August. (Fr.F.). Nicht minder wird die öffentliche Aufmerksamkeit durch die gegenwärtig stattfindende feierliche Einweihung der israelitischen Synagoge in Anspruch genommen. Der gestrige und vorgestrige Tag waren ausschließlich religiösen Feierlichkeiten gewidmet, während mit dem heutigen eine Reihe von Festlichkeiten aller Art beginnen, woran dem gesammten Publikum die Theilnahme gestattet ist. Erfreulich war es, wahrzunehmen, daß bei dem veranstalteten öffentlichen Umzuge nicht allein eine große Anzahl Christen aller Sekten und Konfessionen, die sich hier repräsentirt finden, sondern sogar viele der zur Synagoge anwesenden Deputirten Theil nahmen, und in dieser Weise nicht nur einen Akt ächt christlicher Toleranz, sondern wahrhaft religiöser Gesinnung bethätigten. Möge Neuwied in beider Hinsicht einer größeren Nachbarstadt als Vorbild dienen!"

 

Eine neue jüdische Schule - direkt neben der Synagoge - öffnete um 1885 ihre Pforten.

Synagoge (rechts) u. Schule in Neuwied (hist. Aufn., um 1915, aus: Landesamt)

Nach dem verheerenden Hochwasser des Winters 1883 erfolgte die Wiedereinweihung der Synagoge durch den Rabbiner Daniel Einstein. In der Zeitschrift „Menorah“ (1929) wurde die Synagoge wie folgt beschrieben: " Eine Synagoge am Rhein (1748-1928). Versteckt und eingeengt durch alte Häuschen liegt in einer der entlegensten Ecken des rheinischen Städtchens Neuwied eine kleine Synagoge - 'Judenschul', wie es in den Gründungsurkunden heißt. Vor 180 Jahren im August 1748 wurde sie feierlich eingeweiht, nachdem nach Überwindung aller möglichen Schwierigkeiten in acht Jahren der Bau vollendet wurde. Das Gebäude unterscheidet sich mit seinem Vorgärtchen von außen kaum von irgend einem weltlichen in der Gegend gewohnten Landhausbau. Es verrät deutlich die Tendenz der Bauherren, den Charakter und Zweck des Baues möglichst zu verbergen, um die religiöse Toleranz des Landesherrn und der Mitbürger nicht allzu sehr auf die Probe zu stellen. Dieser Tendenz entspricht auch der Inhalt der Einweihungspredigt, die in schwungvoller Danksagung an den beschützenden Reichsgrafen von Neu-Wied gipfelt."

  Abb. aus der Zeitschrift „Menorah“ (1929)

Zum Synagogenbezirk Neuwied gehörten Mitte des 19.Jahrhunderts neben Heddesdorf auch die Juden von Irlich; gegen Ende des Jahrhunderts stießen dann die aus Fahr, Hüllenberg, Rodenberg, Rockenfeld und Wollenberg lebenden Familien hinzu.

Ältestes Zeugnis der jüdischen Geschichte Neuwieds ist der „Auf dem Weißen Berg“ gelegene Friedhof im Ortsteil Niederbieber, der bereits Ende des 17. Jahrhunderts angelegt worden war. Der älteste sicher zu datierende Grabstein stammt aus dem Jahre 1706. Eine Trauerhalle wurde hier 1908 errichtet.

 In Neuwied wirkten vom 17. bis zur ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Rabbiner, teils bedeutende Persönlichkeiten, die weit über die Region hinaus anerkannt waren. Auch stammten aus Neuwied mehrere Rabbiner, u.a. Benjamin Hirsch Auerbach (geb. 1808), einer der angesehensten Rabbiner der Orthodoxie in Deutschland; er war unter den orthodoxen einer der ersten Rabbiner, die den Gottesdienst in hochdeutscher Sprache abhielten.

Zur Verrichtung religiöser und ritueller Aufgaben hatte die zahlenmäßig starke Gemeinde zeitweilig mehrere Personen angestellt; so gab es neben dem Rabbiner auch einen Lehrer/Kantor.

 

aus: „Allgemeine Zeitung des Judentums“ vom 9.Juni 1856 u. 9.Aug. 1888 und aus der Zeitschrift „Der Israelit“ vom 4.Sept. 1902

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20115/Neuwied%20Israelit%2002011879.jpgDer jüdische Lehrer Anselm Rosenfeld richtete Ende der 1870er Jahre ein Pensionat für Jungen ein.

Juden in Neuwied:

         --- um 1700 ...................... ca.  10 jüdische Familien,

    --- um 1730 ...................... ca.  20    "         "   ,

    --- um 1795 ...................... ca.  35    "         "   ,

    --- 1817 ............................. 210 Juden,

    --- 1847 .............................  79 jüdische Familien,

    --- um 1860 ...................... ca. 400 Juden,

    --- 1895 ............................. 367   “  ,

    --- 1910 ............................. 410   “  ,

    --- 1925 ............................. 339   “  (knapp 2% d. Einw.),

    --- 1934 (Mai) ................... ca. 280   “  ,  

    --- 1935 ......................... ca.  80   “  ,

    --- 1942 (Dez.) ......................   keine,

    --- 1950 .............................   6   “  .

Angaben aus: Franz Regnery, Jüdische Gemeinde Neuwied - Geschichte in Bildern und Dokumenten

 

Idas Viertel Synagogengasse-Schlossstrasse Engerser- u. Schlossstraße (Postkarte um 1900)

In den beiden ersten Jahrzehnten des 20.Jahrhunderts waren die Juden Neuwieds fest in das Wirtschaftsleben der Stadt integriert: Konfektionsgeschäfte, Immobilienbüros, Metzgereien und Viehhandlungen waren die tragenden Säulen der jüdischen Geschäftswelt.

 Eine Geschäftsanzeige von 1869  (Anm.: vermutlich war der Geschäftsinhaber kein Jude)

Bereits vor der NS-Machtübernahme 1933 gewann in Neuwied der Antisemitismus an Einfluss; antijüdische Parolen und nächtliche Übergriffe auf Juden - besonders im Jahre 1932 - häuften sich. Der am 1.April 1933 reichsweit ausgerufene Boykott wurde auch in Neuwied durchgeführt; SA-Klebekolonnen zogen durch die Straßen und markierten jüdische Geschäfte; besonders aktiv waren Mitglieder des hiesigen NSKK. Unter dem Eindruck der wachsenden Diskriminierung ging die Zahl der Gemeindeangehörigen schnell zurück.

In der Nacht vom 9./10.November 1938 wurde die Neuwieder Synagoge geschändet, teilzerstört und aller Kultgegenstände beraubt. Sie wurde später abgebrochen; die ehem. jüdische Schule wurde Jahre später ebenfalls abgerissen. Die Trauerhalle sowie die Friedhofsanlage wurden schwer beschädigt. In den Morgenstunden des 10.November kam es auch in Neuwied zu „spontanen“ Ausschreitungen gegen die Juden der Stadt. Unter den Augen zahlreicher Bürger der Stadt wurden jüdische Geschäfte und Wohnungen von SA- und SS-Angehörigen demoliert und auch geplündert; besonders betroffen war das Hauptgeschäftsviertel. Bei diesen gewalttätigen Ausschreitungen wurde ein jüdischer Bewohner getötet und einige verletzt. Alle männlichen Juden wurden festgenommen und in einer stillgelegten Fabrik in der Feldkircher Straße zusammengepfercht; Frauen und Kinder sowie Juden aus der nahen Umgebung Neuwieds wurden in die Turnhalle der ehemaligen Zinzendorf-Schule gebracht, später dann wieder freigelassen. 1941/1942 wurden zahlreiche Neuwieder Juden in die Ghettos und Vernichtungslager Osteuropas deportiert, wo die allermeisten ermordet wurden.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." wurden fast 150 gebürtige bzw. längere Zeit in der Stadt ansässig gewesene jüdische Bürger Opfer der "Endlösung" (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: in: alemannia-judaica.de/neuwied_synagoge.htm).

Sechs Jahre nach Kriegsende standen in Neuwied 24 Angeklagte vor Gericht, die sich für ihre Untaten während des Novemberpogroms von 1938 zu verantworten hatten. Zwei Angeklagte wurden zu geringen Haftstrafen verurteilt; bei den übrigen wurde das Verfahren eingestellt.

 

Nur wenige der jüdischen Einwohner Neuwieds überlebten die NS-Zeit. Nach Kriegsende kehrten einige der Überlebenden wieder in die Stadt zurück und gründeten hier erneut eine jüdische Kultusgemeinde, die sich allerdings bereits nach wenigen Jahren wieder auflöste. Die in Neuwied und Umgebung lebenden jüdischen Einwohner gehörten seitdem zur Gemeinde in Koblenz.

Am Standort der ehemaligen Synagoge und Schulhauses erinnert seit Anfang der 1960er Jahre eine Ziegelwand mit einer dort angebrachten Gedenktafel und die Straßenbezeichnung „Synagogengasse” (vormals Engerser Straße) an den einstigen Mittelpunkt jüdischen Lebens in Neuwied.

  Gedenkwand mit Relief der ehem. Synagoge u. Schule (Aufn. Frila, 2007, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0  bzw.  J. Hahn, 2006)

Eine Inschriftentafel informiert:

Zum mahnenden Gedenken.

In diesem Hause richtete die jüdische Gemeinde 1894 ihre Volksschule ein.

Die Schule wurde im November 1938 gewaltsam geschlossen, die danebenstehende 1748 erbaute Synagoge wurde geschändet und niedergerissen.

1933 - 1945

Den über 200 toten jüdischen Bürgern zur Ehre und zur Erinnerung

 

Auf Beschluss der Kommunalvertretung (1983) wurde die Engerser Straße - zwischen Schlossstraße und Theaterplatz (hier befanden sich die ehemalige Synagoge und Schule) - in „Synagogengasse“ umbenannt.

Nahezu 300 sog. „Stolpersteine“ sind im gesamten Stadtgebiet von Neuwied verlegt worden (Stand 2024), die an Angehörige verschiedener NS-Opfergruppen erinnern.

Neuwied Stolpersteine95.JPGStolpersteine Neuwied Langendorfer Straße 133 Röschen Ascher.jpgStolpersteine Neuwied Langendorfer Straße 133 Frieda Loeb.jpgStolpersteine Neuwied Langendorfer Straße 133 Martha Ascher.jpgNeuwied Stolperstein Sofia Abraham geb.Aron502.JPG

"Stolpersteine" verlegt in der Mittelstraße und Langendorfer Str. (Aufn. Reinhardhauke, 2011 bzw. B. Winnig, 2017, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

 

Der jüdische Friedhof Neuwied-Niederbieber - letztes sichtbares Zeugnis der einstigen jüdischen Gemeinde - gehört zu den größten Friedhöfen im Lande Rheinland-Pfalz und steht seit 1985 unter Denkmalschutz; fast 700 Grabsteine haben die Zeiten überdauert. Die während des Novemberpogrom stark in Mitleidenschaft gezogene Trauerhalle wurde wenige Jahre nach Kriegsende abgebrochen.

   

Trauerhalle - jüdischer Friedhof Neuwied-Niederbieber (Skizze P. Kesselheim, 1913) und Gedenktafel (Aufn. F., 2007, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20182/Niederbieber%20Friedhof%202008b.jpg

Jüdischer Friedhof in Niederbieber (Aufn. Frila, 2007, in: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)   -   Grabstelen (Aufn. Thomas Hof, 2008)

 

 

In den vier Ortsteilen Engers, Niederbieber, Oberbieber und Wollendorf gab es auch kleine jüdische Gemeinschaften.

 

In Engers lebten im 19.Jahrhundert stets nur wenige jüdische Familien; lag die Zahl der Personen mosaischen Glaubens im Jahre 1895 bei ca. 20 Personen, so waren es drei Jahrzehnte später nur noch etwa die Hälfte. In einem Privathaus stand ihnen ein Betraum zur Verfügung; einen eigenen Begräbnisplatz hatte man auf einem Höhenzug in der Gemeinde Sayn erworben. Die letzten jüdischen Bewohner wurden 1942 deportiert. Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des „Gedenkbuches – Opfer der Verfolgung der Juden ...“ wurden sechs aus Engers stammende Juden Opfer der Shoa (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/engers_synagoge.htm).

 

 

Die Gemeinde in Oberbieber, Hauptort der unteren Grafschaft Wied, umfasste die meisten Angehörigen - Ende des 19.Jahrhunderts mehr als 80 Personen. Der Spezialgemeinde Oberbieber-Rengsdorf gehörten die jüdischen Bewohner von Rengsdorf, Altwied und Gladbach an; bis 1895 zählte auch Wollendorf dazu.

https://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20451/Rengsdorf%20Frankf%20Israelit%20Famblatt%2019080529.jpg Werbeanzeige von 1908

Verstorbene wurden auf dem israelitischen Friedhof in Niederbieber beigesetzt. Der um 1910 geplante Bau einer neuen Synagoge zerschlug sich, sodass die Gemeinde weiterhin das alte Bethaus in der Bergstraße nutzte; dieses wurde während des Novemberpogroms von 1938 von SA-Angehörigen verwüstet und anschließend in Brand gesetzt; Tage später wurde die Ruine abgerissen. 1940 wurde das Grundstück zwangsverkauft, die Abbruchkosten der Synagogenruine der jüdischen Gemeinde in Rechnung gestellt. Während des Pogroms versuchten sich einige jüdische Bewohner im nahegelegenen Wald zu verstecken, wurden aber aufgegriffen und in ihre inzwischen demolierten Häuser zurückgeschleppt bzw. vorübergehend im Gemeindebüro festgehalten. Einige Männer sind vermutlich ins KZ Dachau überstellt worden.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20313/Oberbieber%20Synagoge%20171a.jpgSynagogengebäude kurz vor der Zerstörung (Aufn. Evang. Kirchengemeinde)

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des „Gedenkbuches – Opfer der Verfolgung der Juden ...“ wurden 30 aus Oberbieber und zwölf aus Rengsdorf stammende bzw. längere Zeit hier ansässig gewesene Juden Opfer der „Endlösung(namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/oberbieber_synagoge.htm).

Im ‚Synagogen-Prozeß Oberbieber‘ standen im Sept. 1948 vor dem Gericht 18 Männer, die an den Ausschreitungen in Oberbieber während der Novembertage 1938 beteiligt gewesen sein sollen; das Verfahren gegen sie wurde eingestellt.

Seit 2006 findet man an zahlreichen Standorten von Oberbieber insgesamt 37 sog. „Stolpersteine“ (Stand 2021), die Angehörigen jüdischer Familien gewidmet sind. Jüngst wurde eine Gedenktafel mit einer detaillierten Inschrift entworfen und ganz in der Nähe des ehem. Synagogengebäudes (Bergstraße) angebracht (2020); damit wird an das ehemalige jüdische Gotteshaus und die Angehörigen der jüdischen Gemeinschaft erinnert. Die am Haupteingang der Evang. Kirche angebrachte bronzene Tafel führt namentlich die aus Oberbieber 1938 – 1942 deportierten u. umgekommenen jüdischen Bewohner auf.

 

 

In Niederbieber existierte eine kleine israelitische Gemeinde – ihr gehörten auch die wenigen Juden in Datzeroth und Segendorf an -, deren Wurzeln im ausgehenden 18.Jahrhundert lag. Die Zahl der Gemeindeangehörigen erreichte jemals kaum 30 Personen. Zu den Kulteinrichtungen zählten eine winzige Synagoge (1863 eingeweiht) und ein Friedhof, der auch Verstorbene aus der Umgebung als letzte Ruhestätte diente. Beim Pogrom 1938 wurde die Synagoge zerstört; dabei wurde die Inneneinrichtung auf die Straße geworfen, die Thorarollen und andere Ritualien verbrannt und das Dach des Gebäudes eingerissen.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des „Gedenkbuches – Opfer der Verfolgung der Juden ...“ wurden zwölf aus Niederbieber und vier aus Segendorf stammende bzw. längere Zeit hier ansässig gewesene Juden Opfer der „Endlösung (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/niederbieber_synagoge.htm)

Seit 2001 erinnert ein aus Relikten des Bethauses gefertigtes Denkmal an den ehemaligen Standort der Synagoge; eine Gedenktafel trägt die Inschrift:

Zur Erinnerung und Mahnung !

An dieser Stelle stand einst eine kleine jüdische Synagoge im Ausmaß von zirka 4m x 8m.

                   In der Pogromnacht am 09.Nov. 1938 wurde dieses Gotteshaus von Nationalsozialisten zerstört, geplündert und später abgerissen.

Mit dieser Gedenktafel soll an das geschehene Unrecht erinnert und ein Mahnzeichen für alle nachfolgenden Generationen gesetzt werden, auf daß nach Gottes Willen alle Menschen an allen Orten in Frieden leben können.

Angaben zum jüdischen Friedhof in Niederbieber siehe oben

Für einige der während der NS-Zeit ermordeten jüdischen Personen aus Niederbieber wurden jüngst sieben sog. „Stolpersteine“ verlegt (Stand 2020).

 

 

In Wollendorf bestand im 19.Jahrhundert eine winzige jüdische Gemeinde, zu der auch die in Rodenbach, Gönnersdorf und Fahr lebenden Juden gehörten. Bis in die 1890er Jahre soll es einen Betraum in Wollendorf gegeben haben, der wegen Baufälligkeit abgerissen wurde. Um 1920/1925 lebten hier – außer in Fahr – keine Juden mehr

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des „Gedenkbuches – Opfer der Verfolgung der Juden ...“ wurden jeweils vier aus Wollendorf und Rodenbach stammende Juden Opfer der Shoa; aus Fahr waren es sieben Personen (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/wollendorf_synagoge.htm).

 

 

 

Im nahen Anhausen - heute der Verbandsgemeinde Rengsdorf-Waldbreitbach zugehörig - sind Ansiedlungen von Juden seit den letzten Jahrzehnten des 18.Jahrhunderts belegt; dabei handelte es sich um drei oder vier Familien. Um 1860 erreichte die jüdische Gemeinschaft mit ca. 60 Angehörigen ihren personellen Höchststand. Seit ca. 1880/1885 besaß die Anhausener Gemeinde eine Synagoge in der Hohlstraße (das Gebäude befand sich im Besitz einer Familie), das einen bislang bestehenden privaten Betraum ablöste.

Zu den Einrichtungen der kleinen Gemeinde zählten zudem eine Religionsschule (zeitweise war ein Lehrer in Anstellung) und eine Mikwe. Verstorbene Gemeindeangehörige wurden auf dem Friedhof in Neuwied-Niederbieber begraben.

           Synagoge in Anhausen (hist. Aufn., um 1930)

Kleinanzeigen aus "Israelitisches Familienblatt"

https://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20465/Anhausen%20Israelit%20Famblatt%2019110330.jpg (1911)  https://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20465/Anhausen%20Israelit%20Famblatt%2019340719.jpg (1935)

Abwanderung führte auch hier zur Dezimierung der Gemeinde. Mitte der 1920er Jahre lebten im Dorf noch 15 jüdische Bewohner.

Bereits zu Beginn der NS-Zeit wurde das Synagogengebäude durch einen Anschlag beschädigt, 1938 von der Kommune erworben und als Spritzenhaus der Feuerwehr benutzt (dessen Abriss erfolgte 1950).

Während des Novemberpogroms von 1938 sollen jüdische Dorfbewohner in dem bereits der Kommune gehörenden ehemalingen Synagogengebäude eingesperrt worden sein. Der letzte jüdische Einwohner (Samuel Kahn) wurde im Sommer 1942 deportiert. Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des „Gedenkbuches – Opfer der Verfolgung der Juden ...“ sind insgesamt 16 gebürtige bzw. längere Zeit in Anhausen wohnhaft gewesene Juden Opfer der NS-Verfolgung geworden (namentliche Angaben der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/anhausen_synagoge.htm).

Im Jahre 1988 wurde an der evangelischen Kirche ein Gedenkstein aufgestellt, der an die ehemaligen jüdischen Einwohner des Ortes erinnert; er trägt die Inschrift: "Zum Gedenken an die ehemaligen jüdischen Mitbürger von Anhausen". 

 

 

 

In der nördlich Neuwieds gelegenen Ortschaft Leutesdorf lebten seit Ende des 17./Anfang des 18.Jahrhunderts dauerhaft einige wenige jüdische Familien; um 1850 waren es insgesamt etwa 30 Personen. Ihr Betraum war in einem Privathaus untergebracht. Verstorbene wurden auf einem Friedhof zwischen Hammerstein und Leutesdorf beerdigt. Zu Beginn der 1930er Jahre hielten sich keine Juden mehr in Leutesdorf auf. - Auf dem ehemaligen Begräbnisplatz in der Gemarkung Oberhammerstein sind heute noch einige alte Grabsteine aus dem 17.Jahrhundert zu finden; während diese sich auf Grund ihres Materials (Basaltlava) noch in einem relativ guten Zustand befinden, weisen die jüngeren Steine aus dem 18./19.Jahrhundert wesentlich stärkere Verwitterungsspuren auf.

 HammersteinAmRheinJuedischerFriedhof02.jpgHammersteinAmRheinJuedischerFriedhof22.jpg

jüdischer Friedhof in Hammerstein - Relikte (Aufn. L., 2021, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

 

 

Weitere Informationen:

Die Synagogen-Einweihung zu Niederbieber, in: „Neuwieder-Zeitung“, Ausg. No.92 vom 5.8.1863

Joseph Geisel (Bearb.), Der Bau der Neuwieder Synagoge (1740-1748), online abrufbar unter: stolpersteine-neuwied.de/images/PDF_Files/Geisel_Synagogenbau.pdf (Text verfasst 1928)

Daniel Einstein, Schulchronik der Judengemeinde Neuwied 1882 - 1938, Neuwied (Jerusalem, Jüdisches Historisches Generalarchiv, Rh/Nw 63)

er (Red.), Ueberraschungen im Synagogen-Prozeß Oberbieber, in: „Rhein-Zeitung Neuwied“ vom 13.9.1948

N.N. (Red.), „Jawohl, ich habe die Synagoge gesprengt!“, in: „Rhein-Zeitung Neuwied“ vom 11.1.1951

Albert Meinhardt, Die jüdische Gemeinde, in: 300 Jahre Neuwied, Neuwied 1953, S. 390 - 394

Albert Meinhardt, Die jüdische Kultusgemeinde in Neuwied. Erinnerung und Mahnung, in: "Heimat-Jahrbuch des Landkreises Neuwied 1979", S. 79 f.

D. Elisabeth Deeters, "Sie lebten mit uns" - Zur Geschichte der Wied-Neuwiedischen Landjuden, für die Zeit 1817 - 1942 dargestellt am Dorf und Synagogenbezirk Oberbieber, Neuwied-Oberbieber 1983

Gerhard Wilhelm Daniel Mühlinghaus, Der Synagogenbau des 17. u. 18.Jahrhunderts im aschkenasischen Raum, Dissertation, Philosophische Fakultät Marburg/Lahn, 1986, Band 2, S. 269 - 270

Beate Ensch, Die jüdische Bevölkerung im Kreis Neuwied, in: 170 Jahre Landkreis Neuwied, Neuwied 1986, S. 145 f.

N. Bar-Giora Bamberger, Memorbuch - Der jüdische Friedhof Neuwied-Niederbieber, Hrg. Deutsch-Israelischer Freundeskreis Neuwied am Rhein, Neuwied 1987 (Neuauflage 2000)

Henning Müller, Der jüdische Arzt und Kommunist Dr. Friedrich Wolf. Dokumente des Terrors und der Verfolgung 1931 - 1944, Hrg. Stadt Neuwied, Neuwied 1988

Franz Regnery, Jüdische Gemeinde Neuwied - Geschichte in Bildern und Dokumenten. Zeichen und Zeugen von damals und heute, Hrg. Deutsch-Israelischer Freundeskreis Neuwied am Rhein, Neuwied 1988

Gerhard Ebbinghaus, “Der Jude ist ein Tuberkelbazillus im Menschengesicht”. Der Novemberpogrom 1938 im Spiegel der damaligen NSDAP-Presse im Landkreis Neuwied, in: "Der Westerwald 1989", S. 8 - 10

Landeszentrale für poitische Bildung Rheinland-Pfalz (Hrg.), Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus in Rheinland-Pfalz, 2.Aufl., Mainz 1991, S. 80 - 81

L.Heid/J.H.Schoeps (Hrg.), Wegweiser durch das jüdische Rheinland, Nicolaische Verlagsbuchhandlung, Berlin 1992, S. 220 f.

Wolfgang Dietz, NS-Judenverfolgung im Kreis Neuwied. Zum Schicksal jüdischer Ehefrauen aus Mischehen, in: "Jahrbuch des Landkreises Neuwied 1992", S. 71 - 75

Maren Heyne, Stille Gärten - beredte Steine. Jüdische Friedhöfe im Rheinland, Bonn 1994, S. 125

Werner Schönhofen, Juden in Leutesdorf im 17./18.Jahrhundert, in: "SACHOR - Beiträge zur Jüdischen Geschichte und zur Gedenkstättenarbeit in Rheinland-Pfalz", 5.Jg., Ausgabe 2/1995, Heft 10, S. 75/76

Werner Schönhofen, Ein vergessener jüdischer Friedhof? in: "SACHOR - Beiträge zur Jüdischen Geschichte und zur Gedenkstättenarbeit in Rheinland-Pfalz", 5. Jg. Ausgabe 2/1995, Heft 10, S. 76/77

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde in Oberbieber, in: F.Hachemer/J.Knopp/H.Runkel, 975 Jahre Oberbieber 1021–1996, Neuwied 1996, S. 57 – 62 (als PDF-Datei abrufbar unter: stolpersteine-neuwied.de/images/Stadtteile/Oberbieber/geschichte_oberbieberer_gemeinde.pdf

Günther Salz (Bearb.), „Wer weiß, wie nahe mein Ende ist?“ Spuren Engerser Juden in der NS-Zeit, in: Heimat-Jahrhuch des Landkreises Neuwied 1998“, S. 140 – 145

Naftali Bar-Giora Bamberger, Der jüdische Friedhof in Neuwied-Niederbieber, hrg. vom Deutsch-Israelischen Freundeskreis Neuwied, Neuwied 2000

M.Brocke/Chr. Müller, Haus des Lebens - Jüdische Friedhöfe in Deutschland, Reclam Verlag, Leipzig 2001, S. 146 f.

Norbert A. Heyeckhaus, Jewish Cemeteries in Germany. Koblenz - Neuwied. Eine fotographische Gesamtdokumentation. Die Friedhöfe Koblenz und Neuwied-Niederbieber, Verlag Friedhof + Denkmal, Altendiez o.J.

Gerd Anhäuser, Jüdisches Neuwied, in: "Orte und Spuren jüdischen Lebens", No. 5/2003, Haigerloch 2003

Stefan Fischbach/Ingrid Westerhoff (Bearb.), “ ... und dies ist die Pforte des Himmels “. Synagogen. Rheinland-Pfalz Saarland, Hrg. Landesamt für Denkmalpflege, Mainz 2005, S. 81/82, S. 235 und S. 287 - 289 (Niederbieber)

Neuwied/Rhein, in: alemannia-judaica.de (mit zahlreichen Text- u. Bilddokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Leutesdorf, in: alemannia-judaica.de

Hammerstein (Rhein) – Jüdischer Friedhof, in: alemannia-judaica.de (mit zahlreichen Aufnahmen des Friedhofsgeländes)

Wollendorf mit Fahr, Gönnersdorf und Rodenbach, in: alemannia-judaica.de

Oberbieber mit Altwied und Gladbach sowie Rengsdorf, in: alemannia-judaica.de

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde in Oberbieber, online abrufbar unter: stolpersteine-neuwied.de/images/Stadtteile/Oberbieber/geschichte_oberbieberer_gemeinde.pdf

Niederbieber mit Segendorf und Datzeroth, in: alemannia-judaica.de

Die Synagogeneinweihung zu Niederbieber am 31.Juli d.J,, online abrufbar unter: stolpersteine-neuwied.de/images/PDF_Files/Synagoge-Niederbieber-Einweihung-NZ1863.pdf

Anhausen, in: alemannia-judaica.de

Jüdischer Friedhof Hammerstein, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Jüdischer_Friedhof_(Hammerstein)

Deutsch-israelischer Freundeskreis Neuwied e.V. (Hrg.), Stolpersteine in Neuwied, online abrufbar unter: stolpersteine-neuwied.de (enthält auch detaillierte Informationen zur jüdischen Geschichte der einzelnen Stadtteile Neuwieds)

Auflistung der in Neuwied verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Neuwied

N.N. (Red.), „Unsere jüdischen Nachbarn“ - Projekt am Werner-Heisenberg-Gymnasium, in: „Blick aktuell“ vom 5.11.2018

N.N. (Red.), Stolpersteine in Neuwied erinnern an von Nazis getötete Juden: Mutter mit drei Kindern vergast, in: „Rhein-Zeitung“ vom 1.5.2020

PM (Red.), Gedenktafel erinnert jetzt an Synagoge in Oberbieber, in: „NR-Kurier“ vom 13.11.2020

Lieselotte Sauer-Kaulbach (Red.), Das Ende einer wechselvollen Geschichte: Jüdische Gemeinde Neuwied-Mittelrhein ist aufgelöst, in: „Rhein-Zeitung“ vom 4.2.2021

Lieselotte Sauer-Kaulbach (Red.), Jüdischer Friedhof in Niederbieber: Die ersten Ruhestätten sind über 300 Jahre alt, in: „Rhein-Zeitung – Kreis Neuwied“ vom 19.4.2021

Wolfgang Tischler (Red.), Feierstunde: Gedenktafel am Ort der Synagoge, in: NR-Kurier“ vom 20.9.2021 (betr. Oberbieber)

Regine Siedlaczek (Red.), Teils zugeparkt und vermüllt: Synagogendenkmal soll verschönert werden, in: „Rhein-Zeitung“ vom 5.12.2021

Rebekka Papst (Red.), Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde Neuwied, online abrufbar unter: regionalgeschichte.net vom 8.12.2021